Bewegungsdrang. Dass etwas nicht in Ordnung war, fiel zuerst ihrer Mutter auf. „Immer, wenn sich die Familie abends gemütlich vor dem Fernseher versammelte, konnte ich die Beine nicht ruhig halten“, erinnert sich Maria Karwel. „Mein Mutter weiß noch genau, wie ich mit zwölf Jahren ständig aufstehen und mir meine Strümpfe an- und wieder auszog. Damals hielt sie das eher für einen Tick denn für eine Krankheit.“

Ungemütlich. Tatsächlich stellte sich das lästiges Beinkribbeln bei der heute 42-Jährigen mit jedem Lebensjahr früher und heftiger ein. „Besonders schlimm war es, als ich als Au-pair-Mädchen lebte und 20 Stunden mit dem Bus unterwegs war, um alle drei, vier Monate mal nach Hause zu kommen“, berichtet sie. „Dann wurden die Gefühlsstörungen zur Qual. Aber auf die Idee zum Arzt zu gehen, kam ich damals noch nicht.“

Verschlechterung. Dazu kommt es erst viele Jahre späte, nach dem Maria Karwel bereits selbst eine Familie hat. „2003 entwickelten sich die Gefühlstörungen in meinen Beinen zu regelrechten Stromstößen, die manchmal gar die Muskeln unkontrolliert zucken ließen“, erzählt die Hamburger Hausfrau. „Meine Nachtruhe wurde extrem gestört. Ich wälzte mich im Bett hin und her. Obwohl eigentlich erschöpft und todmüde, ließen mich die Missempfindungen immer später zur Ruhe kommen – oft erst um vier Uhr morgens. Dabei musste spätestens um sieben das Frühstück für Mann und Kinder auf dem Tisch stehen.“

Befund. In ihrer Not wandte sich Maria Karwel erst an den Hausarzt, dann an einen Neurologen. Der Facharzt für Nervenheilkunde stellte die Diagnose „Restless-Legs- Syndrom“ – eine bis heute nicht völlig geklärte Erkrankung im Zentralen Nervensystem des Menschen.

Hintergrund. Vor über 300 Jahren erstmals beschrieben ist das „Restless-Legs-Syndrom“ bis heute unheilbar. Niemand weiß genau, wie es zur Fehlsteuerung im zentralen Nervensystem kommt; warum in Entspannungsphasen Nervenimpulse im Gehirn so verstärkt werden, dass der Schlaf dauerhaft bei bis zu jedem zehnten Bundesbürger gestört wird.

Verordnung. „Obwohl der Arzt mir versicherte, dass RLS und Schüttellähmung nichts miteinander zu tun hätte, verordnete er mir ab 2007 gegen die gestörte Signalübertragung im Gehirn den Parkinson-Wirkstoff L-Dopa“, sagt Maria Karwel. „Leider ließ die Wirkung des Medikaments ziemlich schnell nach – nach nur einem Jahr hatte ich das Gefühl, Bonbons und keine Tabletten zu schlucken!“

Höhepunkt. Der Alltag wird für die Frau zur einzigen Tortur. Selbst unter Höchstdosis hält sie es ab acht Uhr abends nicht mehr auf der Couch aus, verbringt strampelnd den restlichen Abend im Schlafzimmer, um nach drei, vier Stunden Schlaf wieder ihre „Frau zu stehen“. Gegen die bleierne Müdigkeit trinkt sie becherweise schwarzen Espresso.
Wende. Eine Bekannte bringt die geplagte Frau dann auf eine neue Spur. Aufgrund eines mitgebrachten Zeitungs-Artikels stößt Maria Karwel im Internet auf Dr. med. Bernd Walter, Berlin. In seiner Praxis wird durch die so genannte „Periphere Hirnstimulation“ das Restless-Legs-Syndrom seit 2007 erfolgreich behandelt.

Erklärung. „Therapiert wird mit Mini-Titan-Implantaten“, erklärt ihr Dr. Bernd Walter. „Im Gegensatz zur Traditionellen Chinesischen Medizin nutzen wir hierbei nicht die bekannten Akupunktur-Punkte, sondern spezielle Korrespondenzpunkte am Ohr, die über Nervenbahnen mit dem Mittelhirn verbunden sind und dort zu einer funktionellen Normalisierung führen“.

Behandlung. Gespannt reiste Maria Karwel am Behandlungstermin nach Berlin. „Zunächst suchte Dr. Walter meine individuellen Ohrpunkte auf und setzte dann pro Seite neun Titan-Nadeln einen halben Millimeter unter die Ohrhaut“, erzählt sie. „Bis auf ein paar Piekser war die Behandlung quasi schmerzfrei. Es floss weder Blut, noch waren die Dauernadeln zu sehen.“

Wirkung. Richtig spannend wurde es für die leidgeprüfte Frau bei Rückkehr nach Hamburg. „Nachts fing es an, in den Fußspitzen ungewöhnlich zu kribbeln“, sagt Maria. „Später kribbelte es vom Fuß bis ins Knie und dann war das Kribbeln auf einmal weg. Ich schlief seit Jahren zum ersten Mal ohne Tabletten ein und erwachte am nächsten Morgen frisch und erholt.“

Dauerhaft. Seitdem sind bis heute die Beschwerden verschwunden. „Endlich habe ich wieder Kraft für den Tag, kann viel besser schlafen“, strahlt sie. „Heute gehe ich gerne mit meinem Mann aus, ins Kino oder auch mal italienisch essen. Nur auf den Espresso zur Rechnung verzichte ich gerne – davon habe ich wirklich genug getrunken!“

Problemfall „RLS“ – Vier Fragen an Dr. Walter

Wie erfolgreich ist die Behandlung?
Der Erfolg der Methode konnte in einer Studie an 45 Patienten belegt werden („Periphere Hirnstimulation beim Restless-Legs-Syndrom“). In dieser Studie konnte bei einem großen Teil der Patienten Beschwerdefreiheit nachgewiesen werden.

Warum wird RLS häufig viele Jahre nicht richtig erkannt?
RLS tritt häufig mit Krankheiten auf, die ganz ähnliche Symptome machen, wie z.B. Nervenfaserstörungen bei Diabetes oder Durchblutungsstörungen.

Warum sind trotz richtiger Diagnose sind viele RLS-Patienten unzufrieden?
Das Problem ist, dass – ähnlich wie bei Kopfschmerzen – die Beschwerden beim RLS nicht lebensgefährlich sind und deshalb von vielen Ärzten nicht so ernst genommen werden. Hinzu kommt, dass das Parkinson-Medikament L-Dopa die Beschwerden meist nur temporär lindert, aber auf nicht beseitigt.

Wie gefährlich ist die Implantation?
Für die Behandlung verwende ich ausschließlich Nadeln aus medizinischem Rein-Titan. Diese Nadeln werden nicht abgestoßen. Die winzigen, mit bloßem Auge kaum sichtbaren Nadeln verwachsen mit dem Gewebe. Da die Haut vorher desinfiziert wird, ist auch das Risiko einer Infektion minimal. Nebenwirkungen sind nicht bekannt.

Die Symptome – typisch RLS
Obwohl schon lange bekannt, ist das „Restless-Legs-Syndrom“ (kurz RLS) erst seit wenigen Jahren als Krankheit anerkannt. Die typischen Symptome sind: Mißempfindungen, Kribbeln, Ziehen, Jucken und Reißen überwiegend in den Beinen, verbunden mit Bewegungsdrang. Die Beschwerden verschlechtern sich in Ruhe oder treten nur in Ruhe auf. Bewegung mindert die Beschwerden. Die Symptome treten vorwiegend am Abend oder nachts auf.